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Mein klassischer Arbeitsalltag schaut so aus, dass ich in der Früh in die Schule komme,
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mich mit meinen Lehrerkollegen vernetze, bespreche, was für aktuelle Fälle gibt es gerade,
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welche Problemlagen gibt es gerade, was hat sich von gestern auf heute vielleicht wieder aufgetan an Problemen.
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Ich spreche mich mit der Direktion dann ab und habe dann für den Tag entweder wieder neue Fälle,
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wo ich von Seiten der Lehrer erfahren habe, dass es manchen Kindern nicht gut geht,
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dass manche Kinder Unterstützung brauchen.
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Und habe eigentlich schon meine Liste an Kindern, wo ich weiß, da braucht es kontinuierliche Gespräche,
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da braucht es eine Begleitung, weil sie sich gerade in einer Krise befinden.
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Oder so wie in dieser Time-for-you-Pause, die ich habe, die biete ich jeden Tag an,
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kommen die Kinder her. Sie dürfen sich wie in einem Jugendzentrum frei entfalten,
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dürfen spielen, dürfen auch laut sein.
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Da kommen auch die Kinder von selbst mit Wünschen, Sorgen, Beschwerden, Problemen.
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Wenn Schüler in einer Krise sind und sich z.B. telefonisch bei mir melden, reagiere ich natürlich dann darauf
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und versuche so gut wie möglich ihnen behilflich zu sein, um diese Krise zu meistern.
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Es ist noch möglich, dass ich Schüler begleite zu verschiedenen Ämtern,
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zu Einvernahmen bei der Polizei kann auch sein.
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Wenn Kinder öfter unentschuldigt fehlen, wenn die Eltern nicht anrufen,
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wenn keiner die Kinder entschuldigt, der erziehungsberechtigt ist,
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mache ich einen Hausbesuch in einer gewissen Zeit,
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wenn das vom Klassenvorstand gewünscht ist, weil sie sich auch Sorgen machen.
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Ich schaue dann nach, brauchen sie was, geht es ihnen nicht gut, warum kommen sie nicht in die Schule.
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Wenn jetzt z.B. ein Lehrer sagt, bitte rede mit dem Schüler A
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oder mit dem Schüler X oder Y, weil er so stört in der Klasse,
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da ist meistens immer etwas dahinter und geht es nicht nur rein ums Stören,
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sondern meistens gibt es Probleme im Park mit Freunden, frisch verliebt oder frisch getrennt,
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oder in der Familie gibt es Stress, das Zimmer ist zu klein.
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Da gibt es ganz viele Probleme. Das ist immer so unterschiedlich.
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Zum Mobbing, Cyber-Mobbing, Sexding sind natürlich auch Formen von Gewalt, die in Schulen passieren.
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Auch hier gibt es immer Beratungsgespräche, um ihnen Lösungswege aufzuzeigen,
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um mit ihnen gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
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Wo ich sehr viel Verantwortung habe ist natürlich dann, wenn es um Gewalt geht,
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Gewalt in der Familie zum Beispiel, wo Kinder Gewalt erfahren.
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Da muss man natürlich auch dementsprechend vorsichtig im Gespräch sein.
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Einfühlungsvermögen ist natürlich sehr wichtig, weil man mit den Kindern zum Teil auch mitleidet.
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Man sollte keine Scheu haben auf die Kinder zuzugehen aktiv, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
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Spaß an der Arbeit ist, glaube ich, ganz wichtig.
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Ich finde gerade junge Menschen, Jugendliche merken immer, wenn man authentisch ist.
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Das merken sie viel besser als viele Erwachsene.
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Und so gut wie möglich immer an den Trends, an der aktuellen Jugendkultur dabei zu sein,
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um auch mitreden zu können, um nicht ein Interesse vortäuschen zu müssen, weil ich will das Interesse haben.
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Ich will mich mit den Jugendlichen unterhalten über Pokemon, wenn das jetzt gerade so modern ist.
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Was auch immer ihnen gefällt.
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Am liebsten mache ich Workshops. Ich finde, in Form von einer Gruppenarbeit,
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in Form von Workshops kann man ganz viele Kinder auf einmal erreichen.
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Das heißt, wenn es in einer Schule der Verdacht auf einen Suchtmittelmissbrauch gäbe,
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kann ich Suchtpräventions-Workshops anbieten, Informations-Workshops zu gewissen Themen.
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Sexualpädagogik-Workshops oder Gewaltpräventions-Workshops oder Kampfspiele
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z.B. wenn es schon Gewalt in Klassen gibt und sie überhaupt nicht miteinander zurechtkommen.
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Das ist die Möglichkeit, auf die Schulsozialarbeit zurückzugreifen und es anzufordern,
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damit wir dann dort versuchen, Workshops zu machen.
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Besser ist es natürlich präventiv mit Workshops zu starten und nicht erst anlassbezogen,
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weil natürlich die Erfolgschance viel höher ist, wenn man präventiv schon arbeitet.
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Ich glaube, es wird immer mehr Bedarf geben für Schulsozialarbeiter,
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weil natürlich die sozialen, die psychosozialen Probleme von Schülern zunehmen in einer heutigen schnelllebigen Zeit.
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Und es da ein gutes Unterstützungssystem geben sollte,
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damit Kinder sich auf ihre berufliche Karriere konzentrieren können
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und nicht darüber sich Gedanken machen müssen, wenn es Mama schlecht geht,
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wie sie der Mutter helfen können, wie sie dem nächsten Streit aus dem Weg gehen können.
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Ihr müsst Euch das vorstellen. Bis ca. 1977 ist gewissermaßen 80 bis 85% das, was Sozialarbeiterinnen,
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damals werden sie schon Sozialarbeiterinnen genannt, das machen Leute im Bereich der Jugendamt-Sozialarbeit.
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Dann gibt es noch die Straffälligenhilfe, also die Bewährungshilfe
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Dann beginnt erst mit den ausgehenden 1970er Jahren
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erstmalig eine Ausdifferenzierung in verschiedene Handlungsfelder in diese Vielfalt
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Das ist geprägt von den Sozialarbeiterinnen, die jetzt im Bereich,
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gerade auch im Zusammenhang mit der Frauenbewegung entstehen die ersten Frauenhäuser,
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in späterer Folge dann Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie.
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Es entstehen Streetwork-Projekte.
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Es entstehen in den 1980er Jahren neue Formen der Wohnungslosenhilfe, die auf Schiene gebracht werden.
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Die Suchthilfe, die Psychosozialen Dienst-Angebote.
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Diese sozialpsychiatrischen Problemfälle werden von Sozialarbeiterinnen gemacht.
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Diese Situation, dass wir jetzt ein Wording haben,
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dass alle Bachelor-Programme Soziale Arbeit großgeschrieben und getrennt genannt werden,
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ist eine, ohne es so kenntlich gemacht zu haben, Übernahme bundesdeutscher Wordings.
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Die Frage ist immer rechtliche Normen, Theorie und wie wird die Praxis gelebt.
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Die Berufsgruppe hat immer wieder die Herausforderung in diesem Spannungsfeld zu agieren.
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Das heißt, es gibt einen alten Klassiker, der sagt, es gibt das doppelte Mandat.
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Das eine Mal verstehst du dich als beruflicher Sozialarbeiter, Sozialarbeiterin.
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Ich bin für meine Klientinnen da.
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Andererseits wirst du natürlich auch von der öffentlichen Sozialverwaltung bezahlt.
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Das ist natürlich so etwas wie ein Spannungsverhältnis.
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Beziehungsweise es gibt neuerdings, das könnte man auch ein bisschen optimistisch interpretieren,
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ein drittes Mandat, wo man sagt, wir haben auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung.
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Wir als Berufsgruppe sind auch dazu da, eine gerechtere und sozialere Gesellschaft mitzubewirken.
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Behördliche Sozialarbeit hat natürlich auch in den letzten 15 Jahren zunehmend nur mehr ihre Kernbereiche.
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Das andere wird einfach ausgelagert und zugekauft von freien Trägern der Wohlfahrt.
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Es gibt gewissermaßen diesen Wohlfahrtsmix.
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Er ist aber nicht, wie viele glauben, ein ganz neues Phänomen und hätte mit dem Neoliberalismus zu tun.
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Ich als Historiker, der auch die Geschichte der Sozialen Arbeit immer wieder erforscht hat in den letzten Jahrzehnten,
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muss feststellen, seit den 1880er Jahren kann man nachweisen,
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dass die behördlichen Einrichtungen und Träger auf der einen Seite
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schon anno dazumal gesagt haben, wir haben viele Vereine,
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denen geben wir Subventionen und Förderungen und die sollen das und das für uns miterledigen.
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So ist es eigentlich seit eh und je in diesem historischen Ablauf einmal so und so das Mischungsverhältnis.
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Aber an sich ist es nichts Neues.
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Es führt natürlich auch dazu, dass jetzt in den Handlungsfeldern teilweise natürlich die Bezahlung auch variiert.
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Es ist so, dass die Verberuflichung des weiblichen sozialen Ehrenamtes
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am Vorabend des I. Weltkrieges seine ersten Ausprägungen hatte mit gesetzlichen Veränderungen,
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dass man überhaupt in die Familie hineinintervenieren konnte.
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Bei Missbrauch und bei Vernachlässigung hat man dann das Jugendamt gesetzlich institutionell geschaffen.
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Dann hatte man die Herausforderung und am Ende des I. Weltkrieges
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beziehungsweise zu Beginn der Ersten Republik im Jahre 1918
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hat man dann erstmalig ein öffentlich rechtlich anerkanntes Ausbildungssystem bekommen.
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Wir haben heutzutage in jedem Bundesland eine Ausbildung. Das war aber nicht immer so.
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In jedem Bundesland haben wir eine Sozialarbeiterinnen-Ausbildung.
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Aber es sind keine geklonten identen Ausbildungsprogramme.
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Es ist klar, die Grundsachen sind überhaupt keine Frage.
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Es gibt dann natürlich standortbezogene Profile, Akzente und dergleichen mehr.