00:18
Also was Politikwissenschaft einem sicher nicht liefert, ist ein fertiges Berufsbild.
00:23
Insofern ist es wichtig, dass man sich ein eigenes Profil erarbeitet.
00:27
Sei es im Studium durch Schwerpunktsetzungen auf bestimmte Themen, Inhalte,
00:32
aber auch sozusagen Ausbildungen vielleicht neben dem Studium her oder danach
00:38
oder auch durch ehrenamtliche Engagements.
00:41
Was sich für einen Politikwissenschafter für wichtig halte ist,
00:46
dass sie gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen.
00:52
Wenn man nicht die richtigen Fragen hat, weiß man auch nicht, wo man sich hinbewegt.
00:57
Ein Zweites, was sicherlich auch ganz wichtig ist,
01:01
dass sie gelernt haben, ein Problem zu definieren und ein Problem zu strukturieren
01:08
und zu erkennen, wenn ich mich mit einem einzelnen Fall beschäftige, mit einem Problem beschäftige,
01:16
dass ich dieses Problem nur erfassen kann, wenn ich eben das in Zusammenhängen sehe.
01:21
Das sind meines Erachtens die Grundqualifikationen für Politologen, Politologinnen,
01:28
die sie in verschiedensten Berufsfeldern verwenden können.
01:33
Wir haben auf der innerlichen Ebenen kein fixes Programm.
01:39
Wir haben nicht jedes Jahr oder jedes zweite Jahr genau das gleiche Studium.
01:42
Sondern das Spannende an der Hochschule ist, dass wir Bereiche haben,
01:44
aber die Forschenden selber mit ihren Interessen in die Lehre gehen und die vermitteln.
01:49
Das ist das Tolle an der Universität.
01:51
Wir sind keine Schullehrer, die ein Lehrprogramm durchgehen.
01:55
Herzlich Willkommen allerseits zu einer Vorlesung, einem der wichtigsten theoretischen Ansätze in der Politikwissenschaft.
02:04
Wie schauen wir uns die Welt an?
02:06
Was sind die wissenschaftlichen Diskussionen im Themenbereich Sicherheit,
02:10
Wirtschaft, Umwelt, aber eben auch theoretisch gleitet.
02:14
Natürlich haben wir politische Theorie auch im Studium, aber nicht nur.
02:18
Das heißt, die Erwartung an das Studium muss sein,
02:20
dass es sozusagen ein breit gefächertes Spektrum ist,
02:24
welches man sich während der politikwissenschaftlichen Jahre erwerben kann.
02:29
Das gibt eben einerseits, wie gesagt, politische Theorie,
02:31
andererseits aber auch vergleichende Politik, Europaforschung,
02:35
dass man sich mit den Institutionen auf europäischer Ebene beschäftigt
02:38
und auch wie dort Gesetzgebungsprozesse funktionieren.
02:42
Aber auch wie in Österreich Politik gemacht wird,
02:45
also wie die Sozialpartner zusammenwirken auch ein bisschen aus einer zeitgeschichtlichen Perspektive.
02:51
Und eben auch ganz stark Migrationsforschung, auch stark Wahlforschung,
02:56
Parteienforschung und eben Methodenanwendungen als solches.
02:59
Das sind die Erwartungen und ich glaube, das ist auch ganz wichtig,
03:03
dass es hier ein Zusammenspiel von vielen Dingen gibt, die man im Studium lernen kann
03:08
und die einem dann natürlich auch vorbereiten für ein breites Spektrum nach dem Studium.
03:14
Wir sollten allerdings nicht unterschätzen, dass natürlich die Studierenden bereits im Studium sich auch orientieren.
03:20
Es ist nicht so, dass man am Tag, wenn man die Bachelor-Urkunde bekommt,
03:25
dann auf den Arbeitsmarkt tritt sozusagen und sich fragt, was ich jetzt mache.
03:29
Sondern es sind ja fließende Übergänge über Praktika,
03:31
über das, dass man bereits ungefähr geschnuppert hat, wo man reingehen kann.
03:35
Es ist vor allem zu Beginn des Studiums ein sehr starkes literaturorientiertes Studium.
03:41
Nur wenn man sich mit den Texten auseinandersetzt, diese liest
03:44
und von dort sich weiter kritisch auseinandersetzt mit weiteren Texten,
03:49
kann man einen Begriff, ein Feeling, ein Gefühl für dieses Studium entwickeln.
03:54
Was mir heute auffällt ist, dass beispielsweise heute die Frage oder Berufe,
04:04
die irgendwie mit der Europäischen Union zusammenhängen, eine enorme Bedeutung spielen.
04:08
Nicht nur in der Weise, dass viele auch seitens der EU Forschungsprojektgelder bekommen,
04:14
sondern auch in den Institutionen arbeiten hier in Österreich oder auch in Brüssel arbeiten.
04:21
Es ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber Studierenden der 70er, 80er Jahre.
04:26
Da hat die Europäische Union, damals Wirtschaftsgemeinschaft, eigentlich wenig Rolle gespielt.
04:32
Es hat auch kaum eine Rolle gespielt in der Lehre als solches. Das ist sicher ein Punkt.
04:38
Ein zweiter Punkt, dass durch die Entwicklung der Globalisierung Berufe,
04:45
die irgendwie mit internationalen Zusammenhängen zu tun haben, zunehmen.
04:50
Das heißt, selbst auch in den Regierungsadministrationen gibt es entsprechende Stäbe,
04:56
die sich mit internationalen Fragen explizit befassen.
05:00
Nehmen Sie her das Beispiel des Sozialministeriums, wo Sie Abteilungen haben,
05:06
die sich mit EU, mit Europäischem Sozialfonds und so weiter beschäftigten.
05:09
Ein weiterer Punkt ist im Unterschied zu den 70er, 80er Jahren, dass eben NGOs auch ein Berufsfeld sind,
05:21
das zunehmend an Bedeutung gewinnt.
05:24
NGO heißt auf Deutsch Nichtregierungsorganisation
05:28
und das sind meistens Vereine von der Rechtsform her,
05:33
die an keine politische Institution in irgendeiner Weise angebunden sind
05:38
und die auch religiös, also konfessionell, unabhängig sind.
05:43
Also keine Gewerkschaften, keine Arbeiterkammer, keine politische Vorfeldorganisation,
05:50
also auch keiner bestimmten Partei zugehörig.
05:54
Das hat es damals eigentlich als solches nicht gegeben oder hat es schon gegeben, aber hat nicht diese Rolle gespielt.
06:00
Heute ist ein Teil auch der Studierenden nicht nur in der Regierungsadministration beschäftigt so wie früher,
06:07
sondern auch bei solchen Organisationen.
06:10
Mein Steckenpferd waren immer die internationalen Beziehungen,
06:15
die internationalen Strukturen von Staatswesen, von politischen Institutionen.
06:20
Das hat mich interessiert und das kann ich da machen
06:24
und es ist gleichzeitig etwas, dass ich die Verteilung von Wohlstand, von Vermögen,
06:30
aber auch von Möglichkeiten, die Welt zu gestalten oder die Gesellschaft zu gestalten,
06:35
Wirtschaft, Politik zu gestalten, als sehr ungerecht verteilt empfinde
06:40
gerade zwischen den Ländern des globalen Südens und den Industriestaaten.
06:43
Da beitragen zu können natürlich minimal. Man muss das ganz realistisch sehen.
06:49
Aber kleine Schritte, kleines Drehen am Zahnrädchen,
06:55
dass sich diese Strukturen mehr in Richtung Gerechtigkeit für alle entwickeln,
07:01
das empfinde ich eigentlich als ganz großes Privileg.
07:04
In der Politikwissenschaft gibt es sozusagen eine gesellschaftlich induzierte Veränderung,
07:09
wenn man das so sagen will, durch die Auffächerung gesellschaftlicher Bereiche,
07:14
von neuen Feldern, in denen es dann auch Beschäftigung gibt.
07:19
Nehmen wir klassisch das Umweltfeld, die Frage der Umwelt-NGOs, der Umweltverbände,
07:24
der Umweltabteilungen in Unternehmen, der Umweltstellen im Staat.
07:28
Das hat unglaublich zugenommen.
07:30
Jetzt gibt es natürlich heute viel mehr Stellen in den Bereichen,
07:34
die es in den 80er einfach so gar nicht gab, wo das ein aufkommendes Thema war.
07:38
Im Bereich Frauen-, Geschlechterforschung, das ist schon ein bisschen länger her,
07:43
aber auch da gab es dann damals den Aufbau von Gleichstellungsbeauftragen,
07:47
von städtischen Stellen, von heute nennt man das Diversity Management in den Unternehmen,
07:52
wo es dann eben bestimmter Kompetenzen bedarf,
07:55
die dann in Unternehmen in den spezifischen Branchen nachgefragt werden.
07:59
Gerade nachdem Politikwissenschaft auch den Anspruch hat, Gesellschaft zu analysieren,
08:07
Gesellschaft zu verändern, ist auch da wiederum Geschlechtergerechtigkeit ein riesiges Thema.
08:14
Ich fände es nicht gut, wenn es jetzt z.B. um Sozialpolitik geht, um Familienpolitik geht,
08:20
wenn das ausschließlich männliche oder weibliche PolitikwissenschafterInnen wären,
08:25
die an diesem Thema arbeiten.
08:27
Viele PolitikwissenschafterInnen gehen natürlich auch direkt in die Verwaltung zum Arbeiten.
08:34
Sprich gehen selber in den Gesetzgebungsprozess, indem sie bei Ministerien arbeiten
08:39
oder Landtagen arbeiten oder auch im Parlament als parlamentarische Mitarbeiter arbeiten.
08:42
Es gibt auch Absolventen, die sich eher im Lobbyingbereich finden.
08:47
Auch da gibt es natürlich Möglichkeiten in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen,
08:52
oder bei den Sozialpartnern zu arbeiten.
08:55
Auch hier gibt es ein großes Berufsfeld, wo durchaus sehr viele Absolventen der Politikwissenschaft zu finden sind.
09:02
Auch wenn ich jetzt als Politikwissenschafterin bei einer NGO arbeite, heißt es nicht,
09:08
dass ich nur den ganzen Tag forschend an meinem Computer sitze oder qualitative Interviews führe oder Statistiken auswerte.
09:17
Es heißt vor allem viele praktische Veranstaltungsorganisation, Pressearbeit,
09:23
aber auch gerade bei den Recherchen geht es darum, die Recherchereisen zu organisieren
09:28
und sich mit Visabestimmungen und Transportbestimmungen für Kameraausrüstungen auseinanderzusetzen
09:34
oder dann die Finanzen in der Hand zu haben.
09:37
Auch Budgeteinhaltung, Budgetorganisation gehört zu den Aufgaben.
09:43
Nachdem wir unterschiedliche Schwerpunkte in der Organisation haben,
09:47
brauchen wir auch Menschen mit unterschiedlichem Background.
09:50
Aber gerade so im Kampagnenbereich ist es toll, wenn man eine Ausbildung Politikwissenschaften hat,
09:56
weil ich mir denke, diese MitarbeiterInnen können auch gut analysieren und recherchieren.
10:02
Es ist gerade im Südwind wichtig, dass man politisch denkt.
10:06
Da geht es mir nicht um Parteipolitik, sondern wir sind politische Menschen,
10:10
wir wollen etwas verändern und daher ist das auch wichtig.
10:14
Ein Leben lang neugierig sein. Einfach sich nicht zu bescheiden mit dem,
10:18
was durch Medien kommt oder einfach eine Medieninformation,
10:23
sondern wir müssen einfach sehr viel mehr versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen.
10:28
Ich denke, das ist im Wesentlichen eine Haltung, die das bestimmt.
10:35
Ich meine, dass das Politikstudium durchaus in der Lage ist, solche Haltungen mitzubefördern.
10:42
Ich denke, wenn das geschafft ist, dann macht ein Studium auch Sinn.